Zuglicht – 4 Aufregende Bahnlandschaften von Peter Hamel

….Da fliegt im wahrsten Sinne die Landschaft am Bahn-Comfort wie -Non-Comfort-Kunden vorbei, und der sitzt wie hilflos hinter der Scheibe und kann kaum verarbeiten, was er da sieht.
Der Hamburger Fotograf und Bahnvielfahrer Peter Hamel, ein Kreativer, der sich schon lange mit dem Thema Fotografie und Bewegung auseinandergesetzt hat, hat aus diesem schnellen Landschaftsflug eine interessante Fotoserie konzipiert: „Bahnlandschaften“, hat die der studierte Literaturwissenschaftler genannt; eine farbige Landscape-Fotografie, die Peter Hamel aus dem Großraumabteil verschiedenster Nah- und Fernverkehrszüge aufgenommen hat. „Ich war auf dem Weg zu einem Job, habe im Zug gesessen, vor mich hin gedöst, aus dem Fenster geschaut, und plötzlich hat mich eine Stimmung, eine landschaftliche Komposition in den Bann gezogen und in mir die Vorstellung von einem möglichen Bild entfacht.

….Alles schiebt sich auf diesen Bildern bis zur Unkenntlichkeit am Betrachter vorbei, und wo die Welt gerade noch wohlstrukturiert und geordnet erschienen ist, da verschwimmt sie nun im optischen Nebel.

….Hamel bedient sich hier vielmehr einer Ästhetik, die vor über hundert Jahren von den sogenannten Fotodynamisten des italienischen Futurismus entwickelt worden ist: Es ist eine Fotografie der zeitlichen Unschärfe, der Bewegungssschleier und der auf der Bildoberfläche ausgewalzten Momente. „Fotografische Bewegungsstudien faszinieren mich, seitdem ich fotografiere“, sagt Hamel.
Und so kennt er die Geschichte der Unschärfe natürlich ganz genau. Einst haben die Gebrüder Anton Giulio und Arturo Bragaglias diese fotografische Darstellungsweise entwickelt, um mit ihr den Zauber der Jahrhundertwende abzubilden: das urbane Tempo und die moderne Bewegung auf den Straßen der frühen Mega-Cities.
Peter Hamel greift mit seinen über sechs Jahre entstandenen Serie die Technik des Fotodynamismus wieder auf und hält dem Betrachter fest vor Augen, was andernfalls flüchtig an ihm vorüberflöge. Milchige Brücken und Flußverläufe, Veduten, die verschwimmen wie dünne Wasserfarben auf Aquarellpapier, zuweilen auch nur Restlandschaften, die kurz davor sind, in abstrakten Farbfelder zu verschwinden oder dicke Regentropfen, die feuchte Schlieren auf einem Zugfenster ziehen.
Diese „Drive-by-Ästehtik“ scheint in ihrer Schlichtheit und Profanität zuweilen zu verstören, doch gerade ihre Beiläufigkeit ist es, die sie unvergessen und einzigartig macht: Hamels Kamera sieht die Welt offen und unverstellt. Hier ist nichts inszeniert oder hochgedreht. Die Landschaft erscheint uns, wie sie für den modernen Globetrotter eben ist: flüchtig, unverortet, ja letztlich haltlos.

Textauszug zu der Serie ZUGLICHT erschienen im fotomagazin März 2021

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